Die Unterstützung des Naturschutzes hat in der Schweiz Tradition

Interview mit Daniel Wirz, Pro Natura, Kommunikationschef

Umwelt- und Naturschutz ist ein Thema, das zunehmend interessiert. Gemäss dem «Schweizer Stiftungsreport 2020» gibt es aktuell 777 Umwelt- oder Naturschutzstiftungen in der Schweiz. Davon sind 43 Prozent in den vergangenen 10 Jahren entstanden.

Daniel Wirz, wie wichtig ist die Philanthropie für den Bereich Umwelt und Naturschutz.

Für Themen und Projekte im Umwelt- und Naturschutz ist die gemeinnützige Arbeit sehr wichtig. Ohne Philanthropie würde unsere Natur noch etwas schlechter dastehen. Sie hat beim Naturschutz eine alte Tradition, bspw. Pro Natura wurde als Schweizerischer Bund für Naturschutz (SBN) 1909 gegründet, mit dem Ziel, den Schweizerischen Nationalpark zu realisieren. Die Naturschutz-Pioniere hatten die Notwendigkeit, Raum für die bedrängte Natur zu schaffen, schon damals erkannt.

Welches sind die wichtigsten Akteure in den Bereichen Umwelt und Naturschutz?

Es gibt sehr viele naturschutzbegeisterte Schweizerinnen und Schweizer. Sie finanzieren mit Spendengeldern wichtige Arbeiten und sie sind in einer sehr grossen Zahl freiwillig tätig. Denn sie verrichten viele einzelne Einsätze oder ganze Arbeitseinsatz-Wochen. Beim Arbeitseinsatz geht man eine Woche in die «Ferien», verrichtet körperlich schwere Arbeit in einem Naturschutzgebiet und bezahlt etwas für Kost und Logis. Und nicht zu vergessen sind alle jene, die ihre privaten, eigenen Gärten naturnah gestalten. Dabei unterstützen sie die Artenvielfalt. Sie setzen nicht irgendwelche eingeführten Pflanzen, die der Natur in der Schweiz nichts bringen. Das sind sehr viele Leute, die dieses Anliegen tatkräftig unterstützen.

Wie sieht es mit der Forschung aus?

Wissenschaft und Forschung sind beim Naturschutz zentral. Wir arbeiten mit Kausalketten, die komplex sind und sich über lange Zeiträume entwickeln – manchmal in lokalen Kontexten, manchmal in globalen. Die Klimakrise bringt weitere Veränderungen. So kommen bspw. Pflanzen plötzlich an Orten vor, an welchen sie vorher nie vorgekommen sind. Oder es treten plötzlich spezielle Schmetterlinge in grossen Mengen auf, wo sie vorher äusserst selten waren. Andere Arten verschwinden. Leider gibt es in der Forschung selbst ein gefährliches Phänomen, bspw. in der Insektenforschung: Nicht nur die Insekten werden immer weniger, sondern auch die Insektenforscherinnen und -forscher selber: Die Spezialisten verschwinden, Nachwuchsprobleme machen sich bemerkbar. Der Staat ist mit dem Bundesamt für Umwelt ein weiterer wichtiger Akteur. Und die Politik legt durch das Parlament die Rahmenbedingungen fest. Das ist zunehmend auch problematisch; Stichwort Revision des Jagd- und Schutzgesetzes, wo der Schutz weitestgehend rausgefallen ist. Und last but not least: Einen wichtigen Teil als Botschafterinnen für die Natur übernehmen die schweizerischen Umweltschutzorganisationen.

Wie gut funktioniert die Philanthropie im Bereich Umweltschutz?

Grundsätzlich funktioniert sie sehr gut, weil man den Spenderinnen und Spendern sehr gut aufzeigen kann, was es bringt, wenn sie in der Schweiz in den Naturschutz investieren. Pro Natura ist zu mehr als 95 Prozent in der Schweiz tätig. Nur ein sehr kleiner Teil unserer Mittel fliesst ins Ausland. Allerdings kennt Naturschutz keine Grenzen. Ein gutes Beispiel dazu gibt es in Basel. Sollte das projektierte Hafenbecken 3 und ein neuer Containerterminal gebaut werden, würde man ein vom Bund als sehr wichtig erachtetes Naturschutzgebiet – das grösste zusammenhängende Trockenwiesen- und Weideareal in der Schweiz – opfern. Dieses Areal hat eine sehr wichtige Brückenfunktion in Richtung Deutschland, um den Austausch der Arten über die Landesgrenzen sicherzustellen. Der Sinn von direkter, praktischer Naturschutzarbeit leuchtet vielen Menschen ein. Ebenso der Nutzen der Sensibilisierung: Mit Umweltbildung wird schon den Kindern vermittelt, was die Natur ist, was sie leistet und wie sie funktioniert. Die Leute interessieren sich zunehmend für Natur- und Umweltschutz. Die Mitgliederentwicklung ist entsprechend positiv. Pro Natura zählt heute rund 170’000 Mitglieder.

Und wo liegen die grössten Herausforderungen in der Förderung der Umwelt?

Im Naturschutz braucht alles sehr viel Zeit. Das ist eine der grössten Herausforderungen. Wir merken das in der Politik. Die Polarisierung nimmt zu und man steckt andauernd im Wahlkampf – die längerfristigen Anliegen kommen dabei zu kurz. Ein typisches Beispiel ist die Renaturierung eines Abschnitts des Flusses Bibere in Ferenbalm. Eines Tages hatte ein Bauer Biber auf seinem Feld und damit viel Wasser, welches die Biber umgeleitet haben. Der Bauer kam auf Pro Natura zu und mit Hilfe eines Grossspenders konnte Kulturland wieder zurück in eine Auenlandschaft überführt werden, mit dem Biber als Baumeister. Vom Entscheid bis zur Realisierung mit allen Einzelheiten sind zehn Jahre ins Land gestrichen. Die Klimaproblematik als dramatische, umfassende Bedrohung wirkt langfristig. Und trotzdem tut man sich schwer, griffige Massnahmen festzulegen und umzusetzen – obwohl uns das laufende Jahr gelehrt hat, dass es sehr wohl möglich ist, zu drastischen Massnahmen zu greifen. Das ist eine grosse Herausforderung. Dann gibt es im Naturschutz zahlreiche abstrakte Themen wie die Biodiversität oder das Artensterben. Innerhalb der Erdgeschichte befinden wir uns derzeit im sechsten grossen Artensterben. Das erste, welches durch die Menschheit ausgelöst worden ist. Viele Menschen in der Schweiz haben aber das Gefühl, dass es der Natur eigentlich gut geht – was leider nicht zutrifft.

Was wird aktuell unternommen, um diese Herausforderungen anzugehen?

Erstmal viel Sensibilisierungsarbeit. Die politische Bühne wird immer öfter und manchmal auch sehr kurzfristig genutzt. Es ist wichtig, dass nicht zusätzliche Hindernisse für den Naturschutz entstehen. Mit der Umweltbildung gehen wir spezifisch auf Kinder und Jugendliche zu, um den Wert einer intakten Natur möglichst gut zu vermitteln. Und natürlich sind wir mit verschiedensten Projekten im praktischen Naturschutz tätig, um Lebensräume aufzuwerten und den Artenschwund zu stoppen.

Wofür spenden Sie persönlich und was ist Ihre Motivation?

Selber spende ich verschiedenen Umweltschutzorganisationen in der Schweiz. Auch kleinere Projekte wie die Stiftung Seebachtal im Thurgau liegen mir am Herzen. Soziale Gerechtigkeit ist ein Thema, das mich beschäftigt. So spende ich an Caritas oder die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht. Und das Thema Behinderung kenne ich gut, weil einer meiner Söhne auf den Rollstuhl angewiesen ist. Da können einem die Stiftung Cerebral oder Pro Infirmis viele Steine aus dem Weg räumen!

ÜBER DEN AUTOR

Daniel Wirz

Daniel Wirz (54), eidg. dipl. PR-Berater und dipl. NPO-/Verbandsmanager VMI, arbeitete zunächst im Detailhandel und in der Maschinenindustrie bevor er 2005 im den NPO-Bereich startete. Dort sammelte er bei Pro Senectute und Caritas wichtige Erfahrungen bevor er 2018 zu Pro Natura wechselte. Der leidenschaftliche Freizeitfotograf lebt in Zürich und arbeitet in Basel.