Sport als Vehikel ist für die gemeinnützige Arbeit hoch bedeutend

Interview mit Robert Schmuki Viele Förderorganisationen fördern keinen Sport. Damit ist Freizeitsport im Sinne des Fussballclubs gemeint. Das steht in vielen Reglementen geschrieben. Hingegen wird Sport gewissermassen als Vehikel gefördert bspw. im Einsatz mit behinderten Menschen, für die Inklusion oder für Menschen mit Depressionen.

Wie wichtig ist die gemeinnützige Arbeit, Philanthropie für Organisationen im Bereich Freizeit und Sport in der Schweiz?

Philanthropie ist im Zusammenhang mit Freizeit und Sport als gemeinnützige Arbeit zu verstehen. Freizeit und Sport sind im gemeinnützigen Sektor jedoch schwer zu verorten. Es gibt den klassischen Sportverein. Dieser wird gegründet, um eine bestimmte Sportart zu praktizieren; Fussball, Basketball, Tischtennis etc. Dabei geht es um Meisterschaften und Leistung. Wettkampf und gemeinnützige Arbeit passen schlecht zusammen. Es gibt aber jenen Teil im Bereich Freizeit und Sport, der für die gemeinnützige Arbeit hoch bedeutend ist. Dort wird Sport als Vehikel betrachtet, um etwas anderes zu erreichen als Leistung. Und dabei geht es immer um die Art, wie man etwas macht. Bei Pfadfinder-Organisationen wie Pfadi, CEVJ du Jubla geht es um Bewegung im Wald. Genau wie beim Orientierungslauf. Es ist das gleiche Setting; Wald und Bewegung. Auf der einen Seite leistungsorientiert und exklusiv und auf der anderen die Pfadfinderbewegung, sozial und extrem integrierend. Die Form ist das Entscheidende, nicht der Sport an und für sich.

Welches sind die wichtigsten Akteurinnen und Akteure bei Freizeit- und Sport- Angeboten?

Hier würde man natürlich sofort den Sportverein erwähnen. Bei der gemeinnützig, philanthropischen Arbeit mit Sport als Vehikel sind es jedoch Organisationen im Sozialbereich. Sehr bekannt sind die schweizerischen Behindertenorganisationen, die Sportveranstaltungen durchführen, um die Inklusion von Menschen mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung zu erreichen. Aber auch Pro Senectute oder Jugendhäuser führen Sportveranstaltungen durch. Sie wirken Vereinsamung entgegen, beugen Suchtverhalten vor und halten gesund. Dort wo Sport ein gemeinnütziges Ziel hat, sind es andere Anbieter. Das bedaure ich eigentlich. Es ist schade, dass die grossen Sportverbände wie bspw. der Schweizerische Fussballverband (SFV) genau diesen Bereich kaum betreuen. Der SFV beschreibt sich als unglaublich sozial, aber er tut wenig dafür. Dabei hätte Fussball hoch integrierende Komponenten. In Deutschland gibt es ein Projekt, das heisst Kicking Girls. Es ist das grösste Bewegungsprojekt für Mädchen mit Migrationshintergrund. Denn der Fussball wird von den Vätern der Mädchen akzeptiert. Schiesst die Tochter an einem Turnier ein Tor, klatscht der Vater beim ersten Tor noch verhalten, beim zweiten ist er begeistert und beim dritten zahlt er allen eine Runde. Das zeigt, dass diese viel missbrauchte Sportart, mit ihren schrecklichen, kommerziellen Auswüchsen, aber grosser gesellschaftlicher Akzeptanz, in vielerlei Hinsicht auch philanthropische Chancen mit sich bringt.

Wie gut funktioniert die Philanthropie bei der Unterstützung von Freizeit- und Sport-Projekten?

Die fördernde Philanthropie unterstützt den Sportverein nicht. Sie wird dann sehr wichtig, wenn Sport in ein anderes gesellschaftliches Ziel eingebettet ist, zum Beispiel Chancengleichheit, Prävention oder Integration. Bewegung alleine reicht dabei nicht. Es geht immer um eine gesellschaftliche Perspektive. Hier hat Alt- Bundesrat Adolf Ogi bezüglich dem Erlernen von Softskills einmal sinngemäss gesagt: Wo, wenn nicht im Sportclub kann man in der heutigen Realität Verantwortung übernehmen und auch einmal versagen, ohne dass es massive Konsequenzen hat. Die Pfadfinderbewegung ist ein gutes Beispiel. Ich erlebe kaum Jugendliche, die so gestärkt aus einem System kommen und auch gelernt haben, Verantwortung zu übernehmen, wie aus der Pfadi. Das ist eine grossartige und wichtige Leistungen. Ich kenne auch viele Politikerinnen und Politiker, die eine Pfadivergangenheit haben. Würde ich gefragt, welchen Sport man wirklich fördern müsste, würde ich mit meiner langjährigen Arbeitserfahrung sagen, man müsste die Pfadi unterstützen. Sie haben ein super System. Kernaspekt ist die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und das bringt Sport auf so viele gute Arten einfach rüber – das macht den Wert von Sport aus.

Und wo liegen die grössten Herausforderungen in der Förderung von Freizeit- und Sport-Initiativen?

Zu verdeutlichen, dass es bei einem gemeinnützigen Sportprojekt nicht um Sport geht, ist schon die erste grosse Herausforderung. Gerade bspw. bei Gemeinden wird man oft an das Schul- und Sportdepartement verwiesen und dort ist man am falschen Ort. Vielmehr sollte man mit dem Sozial-, Kultur- oder Gesundheitsdepartement sprechen. Der Begriff Sport ist sehr stark konnotiert von «Sport am Wochenende – wer hat gewonnen.»

Wofür spenden Sie persönlich und was ist Ihre Motivation?

Schon immer hat mich DAS angesprochen, was Chancen und Gerechtigkeit ermöglicht. Spenden für Frauenhäuser oder für’s Radio Lora in Zürich. Projekte, bei welchen ich das Gefühl habe, sie machen Türen auf. Organisationen, die einen guten Weg gefunden haben, damit Leute eine Chance bekommen, die sonst keine haben. Etwas in der Gender- oder Migrationsthematik.

ÜBER DEN AUTOR

Robert Schmuki

Robert Schmuki wuchs in Zürich-Schwamendingen auf. 1995 diplomierte er an der ETH Zürich als Architekt und Stadtplaner. Sein beruflicher Fokus als selbständiger Architekt lag in der Stadt- und Quartierentwicklung. Als ehemaliger aktiver Fuss- und Basketballer brachte Robert Schmuki Freizeit- und Berufserfahrung zusammen und baute ab 2001 die Förderorganisation Midnight Projekte Schweiz auf. Diese setzte Kinder- und Jugendprogramme um. 2010 ging sie in die durch Robert Schmuki gegründete Nachfolgeorganisation, die Stiftung IdéeSport in Bern über. Die Stiftung ist eine der grössten Anbieterinnen offener Kinder- und Jugendarbeit in der Schweiz. Aktuell ist Robert Schmuki im Center for Philanthropy Studies der Universität Basel tätig, in der Forschung und Weiterbildung gemeinnütziger Arbeit.