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Kulturförderung – von Anspruchshaltung bis Zangengeburt

Wieso benötigt Kultur überhaupt Förderung? Kultur entstünde bestimmt auch ohne Förderanreize – aus intrinsischer Motivation Kulturschaffender. Aber derartige Kulturleistungen wären wohl weniger zahlreich, vielleicht auch von geringerer Qualität und Innovation. Und mit Sicherheit wäre die Kulturteilhabe ohne Subventionen, Stiftungsbeiträge, Sponsoring oder Mäzenatentum nur für eine verschwindend kleine Gesellschaftsschicht erschwinglich.

Das komplexe System der Kulturförderung und der heterogene Fördermarkt in der Schweiz machen es für Projektträger allerdings schwierig, ja fast unmöglich, bei der Mittelbeschaffung koordiniert und effizient vorzugehen. Auf der anderen Seite müssen sich Förderer mit zu vielen Gesuchen auseinandersetzen, die nicht mit ihren Richtlinien und Förderzielen übereinstimmen oder nicht die nötige Qualität haben. Entsprechend werden von den diversen Förderstellen alljährlich zehntausende von Unterstützungsgesuchen abgelehnt.

In drei der fünf Grundformen der Kulturfinanzierung (Öffentliche Hand, Sponsoren und Mäzenatentum) sind die Verbesserungschancen gering – hier führen wohl weiterhin nur Kärrnerarbeit und Klinkenputzen zum Erfolg. Zumindest im Stiftungsbereich aber will die Online-Plattform stiftungschweiz.ch nun für mehr Effizienz und Transparenz sorgen.

Kultur und Kulturaffinität machen die Menschen zwar nicht besser oder wertvoller – aber bestimmt erfüllter und bereicherter. Es existieren jedenfalls starke Treiber für die grosse Bedeutung von Kultur in der heutigen Gesellschaft. Die Bedeutung spiegelt sich in der hohen Produktion und Konsumation von Kultur innerhalb eines besonderen Marktsegments, das sogar die neue Bezeichnung «Kreativwirtschaft» erhalten hat. In dieser, respektive im Kultursektor haben «Markt» und «Wirtschaft» dabei oft eine ganz andere Bedeutung als in der freien «Marktwirtschaft». Denn beim Kulturbetrieb in einem umfassend gedachten Sinn oszillieren «Zweckorientierung» und «Ziellosigkeit» oftmals. Indikatoren für den heutzutage hohen Stellenwert der Kultur finden sich nicht zuletzt im komplexen System der Kulturförderung mit seinen unterschiedlichen Akteuren und den zahlreichen Kultursparten, um die es sich kümmert.

Kultur ja – aber wieso Kultur-Förderung?

Wieso benötigt Kultur überhaupt Förderung? Kultur entstünde auch ohne Förderanreize, aus Eigenengagement der Kulturschaffenden. Aber Kulturleistungen wären ohne Förderung wohl weniger zahlreich, vielleicht auch von geringerer Qualität und Innovation. Bestimmt wäre die kulturelle Teilhabe, die in den letzten Jahrzehnten zunehmend breitere Gesellschaftsschichten einbezieht, ohne die Kulturförderinstrumente nicht möglich. Ohne Beiträge der Öffentlichen Hand, Stiftungsbeiträge, Sponsoring, Mäzenatentum und Crowdfunding (um die fünf Grundformen von Kulturfinanzierung hier erstmals zu nennen) wäre Kulturproduktion bloss für eine verschwindend kleine Gesellschaftsschicht zugänglich. Die Demokratisierung im Kulturwesen, die mit den gesellschaftspolitischen Umwälzungen des 19. Jahrhunderts eingetreten ist, bedarf kontinuierlich pekuniärer «Schmiermittel», um nicht wieder in den Zustand des völlig Elitären und Luxuriösen zurückzufallen.

Kulturfinanzierung spielt sich in fünf Förderwelten ab:

1. Öffentliche Hand
Die Öffentliche Hand – somit Bund, Kantone und Kommunen – deckt in der Regel das ganze Spektrum von Formaten ab, die ich oben aufgelistet habe. Ihre Verfassungen schreiben Kulturförderung verbindlich vor. Gesetze und Reglemente legen die Fördermechanismen und die finanziellen und personellen Ressourcen fest. Auch wenn die diesbezüglichen Kompetenzen unterschiedlichen Departementen, Ämtern oder Abteilungen zugeordnet sind (oder zum Teil in Lotteriefonds ausgelagert sind), befolgen die jeweiligen Gemeinwesen in sich konsistente Förderpolitiken.

2. Stiftungsbereich
Im Stiftungsbereich ist zu unterscheiden zwischen den (operativen) Trägerschaftsstiftungen und den (fördernden) Vergabestiftungen. Stiftungsstatuten und daraus abgeleitete Förderreglemente strukturieren die konkrete Fördertätigkeit. Die Beschaffenheit der jeweiligen Stiftung (insbesondere deren statutarischen Zielsetzungen und Höhe der Mittelausstattung) definieren die Funktionsweise einer Förderstiftung besonders stark. Sie kann nicht endlos viele Förderzwecke erfüllen, weshalb Fokussierung Not tut. Eine Beschränkung auf wenige Kultursparten oder gar eine einzige kann zum Profil und zur Förderqualität einer Stiftung beitragen.

3. Corporate Sponsoring
Das Corporate Sponsoring sieht sich als Kommunikations-Instrument und gehorcht ganz anderen Ziellogiken als die Stiftungen. Es ist naheliegend, dass die Selektion der gesponserten Projekte nach einem eigenen Raster erfolgt, nämlich nach Kriterien, die Aussichten auf Steigerung von Umsatz und Gewinn des jeweiligen Sponsors bieten. Da auch sehr viele Kulturschaffende und Kulturinstitutionen sich durchaus vorstellen können, mit der Annahme von Sponsoringgeldern in einen Imageaustausch mit Sponsoren zu treten, und weil im Sponsoringbereich kumuliert halt hohe Summen locken, tritt ein problematischer Nebeneffekt ein: Sponsoren lehnen bis zu 99 Prozent der Gesuche ab, die an sie gerichtet werden. Sie erkennen kein erfolgversprechendes Kooperationspotenzial und keine ausreichende Zielkongruenz bei den angebotenen Projekten. Der Gesuchverkehr mit möglichen Sponsoren erweist sich so als ein noch viel anspruchsvolleres Hamsterrad als jener mit den Förderstiftungen. Dort sind immerhin Zusagequoten von einem Drittel bis zu zwei Dritteln verbreitet.

4. Mäzenatentum
Beim Mäzenatentum lassen sich derartige Aussagen erst gar nicht machen, da sich dieses Segment im Kulturfördermarkt statistisch kaum erfassen lässt. Mäzeninnen und Mäzene im herkömmlichen Sinne agieren eigenengagiert (aufgrund ihrer persönlichen Vorlieben und Anliegen) oder fremdmotiviert (aufgrund von Fürsprache durch Vertraute und Gewährsleute). Sie gehen dabei weitgehend unformalisiert vor, ausser sie haben ihr philanthropisches Handeln an eine Stiftung übertragen, die dann wieder zum eher reglementierten oder technischen Fördern neigen dürfte. Da ja keine verlässlichen Listen von mäzenatisch handelnden Personen bestehen, müssen persönliche Netzwerke oder Family Offices etc. als potenzielle Türöffner angesprochen werden.

5. Crowdfunding
Seit einem knappen Jahrzehnt ist Crowdfunding auch in der Schweiz ein Thema. Solche website-gestützte «Schwarmfinanzierung», die im Grenzbereich von Spende und Anteilsschein, auch Subskription, angesiedelt werden könnte, erzielt in der Regel keine besonders hohen Geldbeträge. Aber Low-Budget-Projekte – insbesondere in gewissen Kultursparten – lassen sich über online «crowd donating» schon mal vollumfänglich finanzieren.

Optimierungs-Bedarf lässt nicht zwingend auf Verbesserungs-Potenzial schliessen

Die obenstehenden Schilderungen lassen beträchtliche Ineffizienzen im vielfältigen – man könnte auch sagen: umständlichen – Geflecht der Kulturförderung in der Schweiz erahnen. Zig-Tausende von Unterstützungsgesuchen allein im Kulturbereich werden alljährlich durch die diversen Förderstellen abgelehnt (oder einfach nicht weiterverfolgt, d.h. unbeantwortet auf die Seite gelegt). Hauptgründe sind mangelnde Übereinstimmung mit den Richtlinien der jeweiligen angeschriebenen Förderinstitution, ungenügende Qualität der eingereichten Gesuchunterlagen/ Projekte oder schlicht und einfach die Tatsache, dass die Fördermittel beschränkt sind (in diesen Tiefzinszeiten kein zu unterschätzendes Ablehnungskriterium). So spielen sich viele Leerläufe ab – ungeachtet der deutlich verbesserten Informationspolitik der Stiftungen über Websites in den letzten beiden Jahrzehnten (auf der einen Seite) und der merklichen Optimierung der Gesuchdossiers dank vieler einschlägiger Weiterbildungsangebote (auf der anderen Seite).

Was ist gut? Was sollte besser werden?

Es ist also unbestritten, dass ein grösserer Optimierungs-Bedarf besteht. Nachfolgend meine Überlegungen dazu. Mäzenatisches Handeln spielt sich im Bereich des privaten Spendens ab; dies schliesst in einem liberalen Staat jedwede Regulierung aus. Ähnliches gilt für das Sponsoring, per Definition Teil der Privatwirtschaft, was übrigens auch für das mächtige Migros-Kulturprozent gilt. Stiftungen resp. Stifter sind bei ihrer Gründung und dann bei ihrer Arbeit steuerbegünstigt resp. steuerbefreit; dies sofern sie gemeinnützig orientiert sind. Unser Gemeinwesen – also die Gesellschaft von Steuerzahlern und Stimmbürgern – hat deshalb ein legitimes Interesse an einer herausragenden Arbeit dieser Stiftungen (auch jener im Kulturbereich, die besonders unmittelbar in die Öffentlichkeit wirken). Daraus folgert, dass die Allgemeinheit bis zu einem bestimmten Grad ein «Anrecht auf Kontrolle» hat, was durch die Stiftungsaufsichten auf den drei staatlichen Ebenen ja auch tatsächlich eingelöst wird. Die Kulturförderung durch die Öffentliche Hand auf den verschiedenen Staatsebenen untersteht einer guten demokratischen Kontrolle und ist recht transparent. Solches gilt auch für «Kulturförder-Agenturen» auf Bundes- und Kantonsebene (wie z. B. die Stiftung Pro Helvetia oder das Aargauer Kuratorium), aber nicht in jedem Fall bei den kantonalen Swisslosfonds. Ein erfolgreiches Zusammenspiel der genannten fünf ganz unterschiedlich gearteten Formen im Fördersystem ist für die Anspruchsgruppen, die auf Kulturförderung angewiesen sind, nur mit grossem Aufwand, mit Kreativität und mit viel Geduld zu erzielen. Netzwerke helfen; Frustrationstoleranz auch. In vielen Fällen gelingt Kulturfinanzierung nur mit Hilfe mehrerer Beiträger und mehrerer der fünf Typen von Förderern. Die Resultate einer solchen Finanzierungsmatrix, wie sie Fundraising-Handbücher und -Leitfäden empfehlen, lassen sich dann jeweils aus dem «Logo-Salat» in der Werbung für Kulturprojekte herauslesen.

Limiten beim Verbessern

Mittelbeschaffung für kulturelle Zwecke kann auch im Zeitalter des Internets und des Networking mühsame Kärrnerarbeit und nervenaufreibendes Klinkenputzen bedeuten. Indizien für eine wesentliche Verbesserung der Situation aus dem Blickwinkel der Kulturschaffenden und Gesuchstellenden sehe ich eigentlich nicht. Vor Jahren wurden in Fördererkreisen Modelle für die Koordination der anschwellenden Flut von Fördergesuchen diskutiert. So erörterte in den neunziger Jahren – letztlich folgenlos – die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft Kultureller Stiftungen (SAKS, 2001 aufgelöst) die Lancierung einer Art von Clearing-Stelle, die Gesuche mit Förderern «matchen» sollte. In den Nullerjahren entstand im Netzwerk der damals noch jungen SwissFoundations eine Austauschplattform für Kulturgesuche. Sie konnte sich nicht durchsetzen. In den heutigen Zeiten der Gesuchformulare und der Online-Gesucheingabe (die eindeutige administrative Erleichterungen für die Förderstellen, aber tendenziell Zusatzaufwände für die Gesuchsteller bringen) wäre es eigentlich ein Gebot der Stunde, dass entsprechende Fragebogen respektive Programme unter den diversen Förderstellen möglichst vereinheitlicht würden. Davon ist freilich wenig zu spüren. Koordinierung mit dem Ziel einer Optimierung lässt sich im heterogenen Fördermarkt auch aus ordnungspolitischen Gründen kaum erreichen. Fast kommt es einem vor als, als ob Mittelbeschaffung für Kulturprojekte weiterhin «händisch» ablaufen müsse. Es gilt, die Websites der Förderstellen des Bundes inkl. Pro Helvetia, der Kantone und der Kommunen abzuklappern und die jeweiligen Fördermechanismen zu evaluieren. Für die Lotteriefonds gilt Ähnliches. Bei kantonsübergreifenden Projekten kann es sich lohnen, Vertreter der Konferenz der kantonalen Kulturbeauftragten (KBK) als Fürsprecher für überregionale Finanzierungen (auch über die Lotterien!) zu gewinnen. Vielleicht können auch informelle Kontakte mit Vertretern der Städtekonferenz Kultur (SKK) oder des Forums Kultur und Ökonomie (FKÖ) interessant sein. Bei den Stiftungen ist die Situation angesichts ihrer schieren Masse und ihrer Heterogenität noch schwieriger. Ein zentrales, vollständiges und kostenfreies öffentliches Stiftungsverzeichnis existiert leider nicht, und die Recherche über die Handelsregisterämter ist ja nach der Revision deren dezentralen Websites noch umständlicher geworden. Es bleibt als Lösung die entgeltliche Nutzung von privaten Online-Stiftungsverzeichnissen.

Hier scheint aber Besserung in Sicht: das Online-Portal, auf dem dieser Beitrag erscheint, will die Mittelbeschaffung auch für Kulturprojekte vereinfachen und ein effizientes, koordiniertes Vorgehen ermöglichen. Ein Vorhaben, das zu begrüssen ist, und das ich aufmerksam verfolgen werde.

Literatur-Verweise:

  • Elisa Bortoluzzi, Sponsoring. Der Leitfaden für die Praxis, 5. Auflage, Bern 2011.
  • Elisa Bortoluzzi Dubach, Stiftungen. Der Leitfaden für Gesuchsteller, erweiterte Auflage, Frauenfeld 2011.
  • Elisa Bortoluzzi Dubach, Mäzeninnen. Denken-Handeln-Bewegen, Bern 2014.
  • Peter Buss, Fundraising. Grundlagen, System und strategische Planung, Bern 2012.
  • Anna Schindler, Christoph Reichenau, Zahlen, bitte! Kulturbericht 1999: Reden wir über eine schweizerische Kulturpolitik, Bern 1999.
  • Michael Urselmann (Hrsg.), Handbuch Fundraising, Wiesbaden 2016.
  • Christoph Weckerle, Kreativwirtschaft Schweiz: Daten, Modelle, Szene, Basel 2008.

Online-Links:

Bildlegende:
«ARTISTS ARE THE PUPPETS OF THE SPONORS». Zeltinstallation des französisch-dänischen Konzeptkünstlers Thierry Geoffroy (*1961) in der Ausstellung «Konstruktion der Welt, Kunst und Ökonomie 2008-2018» in der Kunsthalle Mannheim (2018/19). Foto: Benno Schubiger

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