Lernreise und Module: Case Study Gerbert Rüf Stiftung und Velux Stiftung
Als Technologiepartner der Schweizer Philanthropie fördert StiftungSchweiz den Brückenschlag zwischen den Akteur:innen im Sektor. Wir laden ein, Fragen zu stellen, Wissen zu teilen und Perspektiven zu klären. Im Rahmen von Lernreisen in Kooperation mit SwissFoundations werden digitale Werkzeuge gemeinsam entwickelt. Für spezifische Bedürfnisse ist eine modulartige Ergänzung der Plattform um eigens erstellte technologische Hilfsmittel möglich.
Im Einsatz
Marion Bétizeau, Senior Scientific Officer bei der Velux Stiftung, und Pascale Vonmont, CEO/Direktorin der Gebert Rüf Stiftung, sind mit ihren Stiftungen Teil der AI Learning Journey. Im Gespräch mit StiftungSchweiz sprechen sie über die Notwendigkeit der Weiterentwicklung digitaler Werkzeuge und die Potenziale von KI in der Schweizer Stiftungsarbeit.
Die Lernreise ist die Plattform für die co-kreative Weiterentwicklung digitaler Werkzeuge für die Schweizer Philanthropie – wo sehen Sie den Hauptnutzen für teilnehmende Förderorganisationen?
Marion Bétizeau, Senior Scientific Officer Velux Stiftung: Da kommt mir einiges in den Sinn: Schulungen zu verschiedenen Themen, Verständnis des Potentials der Plattform, konkrete Einsichten in das, was machbar ist, Austausch mit Gleichgesinnten, Kenntnis der Bedürfnisse und potenziellen Entwicklungen bei anderen Stakeholdern (z.B. bei den Begünstigten) und weiterführende Überlegungen auf Ebene des philanthropischen Sektors.
Pascale Vonmont, CEO/Direktorin Gebert Rüf Stiftung: Zentral finde ich, dass es sich bei einer Lernreise nicht um trockene Theorie handelt. An konkreten Beispielen wird Wissen vermittelt und man kann direkt bei der Umsetzung mitdenken.
An der AI Learning Journey haben sowohl Nonprofits wie Funders teilgenommen – wie haben Sie die Mischung der Teilnehmer erlebt?
Pascale Vonmont: Sehr bereichernd – und zwar für beide Seiten. Gemeinsam arbeiten wir am gleichen Ziel und lernen unsere individuellen Herausforderungen kennen.
„Die erste Learning Journey hat unsere Erwartungen übertroffen.“
Pascale Vonmont
Anders als eine klassische Weiterbildung beschreiten die Teilnehmer:innen Neuland und verlassen die Komfort-zone – was macht dieses Setting mit Ihnen als Teilnehmerinnen?
Pascale Vonmont: Es macht Lust auf mehr. Die Möglichkeit stets nachzufragen und gleichzeitig immer alles an Beispielen auszutesten, hilft sehr bei der Verdauung der teilweise doch komplexen und anspruchsvollen Themen. Ausserdem ist es wichtig zu wissen, was ich in welcher Tiefe verstehen muss, um eine sinnvolle Anwendung beurteilen zu können.
Marion Bétizeau: Es ist ein dynamisches Programm. Das kann es schwierig machen, die Teilnahme zu rechtfertigen, da die Ergebnisse teils unklar sind. Die Prototypen funktionieren nicht immer ohne Einschränkungen – das ist die Realität der Herausforderungen.
Wie beurteilen Sie die Ergebnisse, die im Rahmen der ersten Lernreise erreicht wurden?
Marion Bétizeau: Die ersten Ergebnisse finde ich interessant. Ich habe den Eindruck, dass das erst der Anfang ist!
Pascale Vonmont: Grossartig! Die erste Journey hat alle unsere Erwartungen übertroffen.
Wie hat sich Ihre Bewertung von KI und Technologie für die Philanthropie durch die Lernreise verändert?
Marion Bétizeau: Durch die AI Learning Journey konnten wir konkretere Visionen bezüglich der Potenziale und potenziellen Risiken von KI entwickeln.
Wie könnte KI in Zukunft Ihre alltägliche Praxis in der Philanthropie verändern?
Pascale Vonmont: KI kann für uns und die Antragsteller so etwas wie ein Dienstleister oder Assistent sein. Damit kann es als Tool für Ersttriage bei der Suche, Evaluation und dem Reporting eingesetzt werden.
Durch die AI Learning Journey konnten wir konkretere Visionen bezüglich der Potenziale und potenziellen Risiken von KI entwickeln.
Marion Bétizeau
Frau Bétzieau, in diesem Kompetenzbereich haben Sie Ihre eigene Idee für ein KI-gestütztes Werkzeug entwickelt. Welche Rolle würde dieses Werkzeug spielen?
Marion Bétizeau: Es ist angedacht, dass wir KI nutzen, um Zusammenfassungen zu erstellen als Basis für die Entscheidung des Stiftungsrats.
Wo stehen Sie aktuell in der Entwicklung und was sind die nächsten Herausforderungen?
Marion Bétizeau: Da wir uns mitten in strategischen Entwicklungen befinden, ist dieses Thema momentan leider nicht unsere erste Priorität.
Zurück zur Learning Journey – welche Stolpersteine sehen Sie bei der Entwicklung und Implementierung des KI-Tools?
Pascale Vonmont: Ich denke, eine könnte die unzureichende Qualität der Resultate sein.
Wie ist die Zusammenarbeit mit StiftungSchweiz in der Entwicklung solcher Prototypen?
Pascale Vonmont: Hervorragend! Es werden diejenigen Prototypen entwickelt, die nachgefragt sind und unser Feedback wird rasch umgesetzt.
Welche Auswirkungen könnte eine stärkere Technologie-nutzung auf den gesamten Stiftungssektor haben?
Marion Bétizeau: Wir möchten die Technologie nutzen, um Zeit zu sparen bei der Bewertung der Förderanträge und gezieltere Anträge in Bezug auf unsere Ziele zu erhalten. Gleichzeitig könnten die KI-Tools möglicherweise eine neue Welle von Anträgen bringen, die vielleicht formal korrekt, aber inhaltlich nicht unbedingt stark sind. Aktuell stelle ich mir hierzu einige Fragen: Wird die KI die Differenzierung leisten können? Wird sich die Perspektive ändern, wie man langfristig Partner und Projekte findet? Wo bleibt der menschliche Kontakt, wenn wir KI nutzen für die Generierung und Bewertung von Anträgen?
Pascale Vonmont: Das sind wichtige Fragen, die Marion aufwirft. Ich erhoffe mir, dass durch die gesteigerte Effizienz und Ressourcen für die Förderung sogar mehr Zeit bleibt für den persönlichen Austausch.
Über die Lernreise und Module
Digitale Philanthropie gemeinsam gestalten, dieses Ziel verfolgen gleich mehrere Angebote von StiftungSchweiz. Die AI Learning Journey ermöglichte Funders und Nonprofits, gemeinsam neue Werkzeuge unter Nutzung künstlicher Intelligenz zu entwickeln und diese praxisnah zu testen. Dabei steht die Plattform stiftungschweiz.ch für das kollaborative Ausprobieren neuer Tools zur Verfügung. Im Rahmen der zweiten Lernreise, #FörderZukunft, stehen drei Schlüsselfelder der Förderung im Fokus. Auch eine automatisierte Reporting-Auswertung wird dabei in Angriff genommen. Sie soll Stiftungen dabei unterstützen, grosse Datenmengen sicher und effizient zu analysieren, um wertvolle Erkenntnisse für ihre Projekte zu gewinnen. Neben den Lernreisen sind auch individuelle Entwicklungen für einzelne Organisationen möglich, welche die dabei entstehenden Werkzeuge anschliessend als Module nutzen.
Herausforderungen der Nutzer:innen
- Isolierte Insellösungen grassieren
- Kollaborationspotenzial ungenügend ausgeschöpft
- Digitale Lösungen teils Rückschritt gegenüber Papierdossier
- Im Reporting fehlen Ressourcen zur Auswertung, grosse Datenmengen aus vergangenen Projekten werden nicht aktiv genutzt
- Sensitive Daten, verantwortungsvoller Einsatz künstlicher Intelligenz
Ziele der Nutzer:innen
- Digitale Werkzeuge zielorientiert entwickeln
- Fragestellungen aus er Praxis in konkrete Lösungen einbringen
- Reporting optimal gestalten durch eine digitale, sichere und schnellere Auswertung von Daten
- Rechtlich und datenschutztechnisch sorgfältige KI-Nutzung
Implementierung
Mit der Kampagne «Mitwirken – Philanthropie gestalten» lädt StiftungSchweiz seit November 2022 zur co-kreativen Weiterentwicklung der digitalen Angebote ein.
Bisherige Ergebnisse
Die im Jahre 2023 eingeführten Netzwerke und das neu lancierte digitale Gesuchsmanagement sind Antworten auf konkrete Bedarfe, die von verschiedenen Organisationen formuliert wurden. Mit dem Format der Lernreise eröffnet StiftungSchweiz eine konkrete Plattform für das gemeinsame Experimentieren und Entwickeln digitaler Lösungen. Die AI Learning Journey zwischen Dezember 2023 und Juli 2024 und über 50 Teilnehmer:innen resultierte in verschiedenen KI-Assistenten, die seither auf der Plattform genutzt werden können.
Abklärung für individuelle Module
In einem Vorgespräch werden die Bedürfnisse und Ziele einer Modulentwicklung gemeinsam erörtert. Anschliessend wird der Entwicklungsaufwand budgetiert.
Weitere Lernreisen
Die Entwicklung einer digitalen Philanthropie-Plattform ist naturgemäss nie zuende. Wer weitere Ideen für einen Entwicklungsschwerpunkt oder eine konkrete Fallstudie für eine weitere Lernreise beisteuern möchte, ist herzlich zur Kontaktaufnahme eingeladen.
Rollen und Verantwortlichkeiten
Die technologische Weiterentwicklung der Plattform stiftungschweiz.ch ist ein co-kreativer Prozess unter Einbezug zahlreicher Stakeholder, Funder wie Nonprofits. Auch Verbände und Forschungsinstitute spielen dabei eine zentrale Rolle.
Ideengeber:in
Die wichtigste Rolle spielt der/die Ideengeber:in. Eine visionäre und mutige Idee steht meist am Anfang einer Entwicklung.
Team StiftungSchweiz
Die harte Landung erleben Ideen oft, wenn unsere Product-Owner im Team kritische Rückfragen stellen. Meist entwickelt sich die anfängliche Idee dabei bereits weiter.
PeakPrivacy.ch und Fabio Duò
Seit dem Start der Plattform hat sich eine intensive Zusammenarbeit mit unserem IT-Dienstleister und CTO entwickelt. Mit PeakPrivacy.ch steht eine zeitgemässe und sichere Umgebung für die Entwicklung von KI-Anwendungen zur Verfügung, die punkto Datenschutz keine Wünsche offen lässt.
SwissFoundations
Der Verband der Schweizer Förderstiftungen ist auch Aktionärin bei der Betriebsgesellschaft von StiftungSchweiz, der Philanthropy Services AG. Als Aktionärin lenkt SwissFoundations die Entwicklung strategisch mit.
Forschungsinstitute
Für viele Neuentwicklungen suchen wir aktiv die Zusammenarbeit mit geeigneten Forschungseinrichtungen, die neben der praktischen eine wissenschaftliche Perspektive sicherstellen. Für die AI Learning Journey war das beispielsweise die Universität Genf und das dort angesiedelte Centre en Philanthropie GCP.