Bildung
Ein Interview mit Donald Tillman, Geschäftsführer ETH Foundation
2019 hatten 23 Prozent der neu gegründeten Stiftungen den Zweckbereich Bildung und Forschung. Das ist etwas mehr als der Anteil bei den Bestehenden. Eine der bewährten Stiftungen ist die ETH Foundation. Ihr Geschäftsführer Donald Tillman spricht über die Bedeutung der Philanthropie für Bildung und Forschung.
Wie wichtig ist die Philanthropie für die Bildung in der Schweiz?
Für die Bildung und Forschung ist Philanthropie ein wichtiger Beschleuniger, eine «Vorwärtsbringerin». Natürlich sind in der Schweiz Bildung, seien es die Volks-, Berufs- oder Hochschulen, sowie die Forschung traditionell wichtige öffentliche Aufgaben. Entsprechend solid werden diese Bereiche von der öffentlichen Hand alimentiert. Und das ist gut so. Bund, Kantone und Gemeinden legen im schweizerischen Bildungswesen eine stabile finanzielle Basis. Sie sind der Sockel unserer Top-Ausbildung, von welcher wir ja wissen, dass diese weltweit hohes Ansehen geniesst. Die Bedeutung von privater Unterstützung nimmt aber deutlich zu. Denn die öffentlichen Mittel reichen, um das Bestehende weiterzuführen, aber selten, um Neues schnell genug zu ermöglichen.
Wie gut funktioniert die Philanthropie in der Bildung?
Dank privater Mittel können die Gönnerinnen und Gönner, Stiftungen und Privatpersonen, entscheidende Impulse setzen, Steine ins Rollen bringen. Bei der Philanthropie geht es ja nicht nur um «helfen», sondern auch um «ermöglichen». Und das ist genau das, was die Philanthropie in der Bildung und Forschung beabsichtigt: z.B. neue Lernformen ermöglichen, für begabte Menschen das Studium erschwinglich machen, mit neuen Professuren unbekannte Forschungsthemen angehen, zu Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit beitragen, ja diese sogar lösen. Der grosse Erfolg liegt in der Kombination von öffentlichen und privaten Mitteln.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Die Polargebiete spielen beim Klimawandel eine entscheidende Rolle – auch was das mögliche Ansteigen des Meeresspiegels betrifft. Dazu will die ETH neue Forschung aufbauen und wird davon auch 80 Prozent selber finanzieren können; für den Start sucht und braucht sie aber Stifter und Stiftungen. Oder das neue Zentrum für Quantum- und Materialforschung: Mit einer Anschubfinanzierung können Gönner und Gönnerinnen das ermöglichen, was sonst nicht vorangehen würde. Genau solches Zusammenwirken von öffentlicher Hand und Philanthropie ist entscheidend.
Welches sind die wichtigsten Akteurinnen und Akteure in der Bildung?
Stiftungen spielen eine entscheidende Rolle. Mit ihren Ausschüttungen sind sie ein grosser Treiber der Innovation. Manchmal unterstützen Stiftungen auch gemeinsam und schaffen so neue Programme von unschätzbarem, bleibendem Wert. Privatpersonen, mit kleineren oder auch grösseren Beiträgen, je nach Möglichkeiten, sind ein weiterer Katalysator. Die ETH Foundation versucht hier zu vermitteln und verschiedene Parteien zusammen zu bringen. Und nicht zu vergessen Unternehmen, welche sich bewusst sind, dass Innovationen eine starke Forschung – und zwar über den eigenen Horizont hinaus – erfordern. Immer mehr Menschen berücksichtigen die ETH Zürich Foundation auch in ihrem Testament und erkundigen sich bei uns, wie dies am besten möglich sei.
Woher stammen die privaten Gelder?
An der ETH kommen heute 75 Prozent aus staatlichen Quellen und 25 Prozent wird privat oder halbprivat finanziert. Und genau diese zusätzlichen 25 Prozent machen es aus, dass sich die ETH immer wieder weiterentwickeln und ihren Spitzenplatz unter den Hochschulen national und international behaupten kann.
Gibt es ein Beispiel?
Ein sehr naheliegendes: Bei Corona braucht es jetzt gerade an den Hochschulen und in den ETH-Labors enorme Anstrengungen. Zum einen unternimmt die ETH diese Anstrengungen aus eigener Kraft und zum anderen ermöglichen private Mittel wichtige zusätzliche Projekte. Viele Private und zahlreiche kleine Stiftungen tragen diese Projekte mit, um so rasch wie möglich eine Lösung für die gegenwärtige Gesundheitskrise zu finden. Wir haben deshalb einen Fonds eingerichtet. Es kommen die unterschiedlichsten Beiträge zusammen, angefangen bei 100 Franken. Jeder Beitrag ist wichtig und hilft. Wir bündeln die Donationen und zeigen gerne auf, was das Geld konkret bewirkt. Gemeinsam mit den Gönnerinnen, Gönnern und Partnern wollen wir die anstehenden Herausforderungen lösen oder etwas zur Lösung beitragen.
Und wo liegen die grössten Herausforderungen für die Philanthropie im Bereich Bildung?
Stiftungen wollen Fortschritt erzeugen. Zurzeit gibt es riesige Herausforderungen, welchen wir begegnen wollen: Seien es Demenzkrankheiten aufgrund der demografischen Alterung, die CO2-Problematik, die Energiestrategie und der damit verbundene Klimawandel oder der dringende Bedarf an nachhaltigen Baumaterialien. Für die Lösung dieser Probleme braucht es Forschung und gut ausgebildete Leute. Das Erfolgsrezept enthält noch andere wichtige Ingredienzien. Aber am wichtigsten sind Bildung und Forschung. Eine weitere Herausforderung in Sachen Philanthropie bei Forschung und Bildung: Es dauert in der Regel lange, bis die Wirkung einer Förderung sichtbar wird. Das heisst: Es braucht das nötige Vertrauen, dass die gespendeten Mittel auch die angezielte Wirkung entfalten werden. Unterstützung von Forschung und Bildung ist kein kurzfristiges, sondern ein langfristiges Engagement. Einige Stiftungen wünschen sich hingegen eine Erfolgsmeldung innerhalb von sechs Monaten. Und das ist im Bildungsumfeld schwer möglich.
Wofür spenden Sie persönlich und was ist Ihre Motivation?
Wie gesagt: Fortschritt beginnt mit Bildung und Forschung. Ich schöpfe meine Motivation aus dem Drang dabei mitzuhelfen, dass dieser Fortschritt passiert, im Kleineren wie im Grösseren. Ich setze mich dafür ein, noch mehr Unterstützung für die Wissenschaft zu mobilisieren, damit Herausforderungen gelöst werden können.
Wo sind Sie ehrenamtlich engagiert?
Ich habe verschiedene ehrenamtliche Tätigkeiten. Zurzeit unterstütze ich Kantonsschülerinnen und -schüler bei der Berufswahl, indem ich diese mit Berufstätigen zusammenbringe. Aktiv bin ich auch bei der Organisation der Nachbarschaft, etwas aus meiner Sicht sehr Entscheidendes. Und ein dritter Bereich war immer Jugend und Sport, das passt auch zu meiner heutigen Tätigkeit, der Befähigung in Bildung und Forschung. In beiden Bereichen befähigt man junge Menschen dazu, Lösungen zu erarbeiten.
Über den Autor
Donald Tillman
Donald Tillman hat Ende der achtziger Jahre an der ETH Zürich Kulturingenieur studiert. Nach dem Diplom arbeitete er zunächst drei Jahre als Projektleiter bei der Firma Holinger in Baden. Im Herbst 1995 ging er in die USA, wo er am Massachusetts Institute of Technology (MIT) einen Master of Engineering in civil and environmental engineering erwarb. Am Wasserforschungsinstitut EAWAG in Dübendorf schrieb er anschliessend seine Dissertation zum Thema «Stakeholder analysis in water supply systems». Nach der Promotion trat er als Senior Equity Analyst in die Vermögensverwaltungs-Gesellschaft SAM Sustainable Asset Management ein. Im März 2006 übernahm Donald Tillman die Geschäftsleitung der ETH Foundation.