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Der Stiftungssektor ist gefordert

Das erste Schweizer Stiftungsbarometer untersucht, was Stiftungen in der Krise bewegt und welche Herausforderungen sie erkennen. StiftungSchweiz, das Magazin DIE STIFTUNG und die Zürcher Kantonalbank haben die Umfrage gemeinsam realisiert.

Mehr als Corona: Das erste Stiftungsbarometer der Schweiz zeigt, wo der dritte Sektor in der Schweiz steht. «Auffallend ist die breite Palette an Herausforderungen, welche die Stiftungen beschäftigen», sagt Hansjörg
Schmidt, Leiter des Teams Stiftungen und Mitglied der Direktion bei der Zürcher Kantonalbank. «Diese Ergebnisse belegen, wie vielfältig unsere Stiftungslandschaft ist.»

Zu den genannten Herausforderungen gehören die Regulierungen, die Suche nach einem geeigneten Förderpartner und auch das Finden von Mitarbeitenden. Dass die Finanzierung sowohl in der Deutschschweiz wie in der Romandie die Stiftungen am meisten fordert, erstaunt ihn wenig: «Bevor ich mir über Personalfindung oder Regulierung Sorgen machen kann, muss ich überhaupt erst eine Finanzierung sicherstellen.»

Aktuell erschwert Corona die Situation des Sektors. Zwar hätten sich Spenden und Förderbeiträge nach einem Einbruch zu Beginn der Krise wieder erholt. Jedoch seien es genau die starken Ausschläge auf dem Spendenmarkt, die eine erhöhte Unsicherheit bewirken würden, urteilt Hansjörg Schmidt.

Defensiv bringt kaum Rendite

Mittelfristig problematisch sind vor allem die tiefen Zinsen. Sie wirken auf das Anlageverhalten bei Stiftungen. Die Umfrage zeigt, bereits rund die Hälfte der Stiftungen setzen auf eine externe Vermögensverwaltung oder die Stiftungsräte lassen sich von Experten ausserhalb der Organisation beraten.

Dieser Wert werde wegen der zwingenden Professionalisierung weiter zunehmen, ist Hansjörg Schmidt überzeugt. «Noch vor wenigen Jahren haben viele Stiftungen ihr Vermögen eigenständig und oft sehr konservativ angelegt. Mit Zinsen auf Sparkonten und mit Obligationen konnten sie sichere Erträge erzielen», sagt der Anlagefachmann. Dies gilt heute nicht mehr.

Die heutige Realität ist das Tiefzinsumfeld. Eine professionelle Bewirtschaftung des Stiftungsvermögens ist notwendig, um überhaupt Rendite zu erzielen. Doch diese Entwicklung fordert die Stiftungsräte. Denn nicht alle Entscheide können extern delegiert werden.

«Für die Anlagestrategie ist der Stiftungsrat verantwortlich. Er muss diese festlegen. Er verantwortet sie», sagt er. Denn hier unterscheiden sich Stiftungen von anderen Anlegern. «Da es sich nicht um ihr eigenes Vermögen handelt, müssen Stiftungsräte besonders umsichtig vorgehen», sagt Hansjörg Schmidt. Falsche Anlageentscheide können auf sie zurückfallen. Vor allem droht ein Imageschaden, wenn sie Stiftungsvermögen verlieren, im schlimmsten Fall eine Haftungsklage.

100 Rappen von einem Franken

Das dominierende Thema bei den Anlagen ist im Moment allerdings die Nachhaltigkeit. Gemäss den Ergebnissen des Stiftungsbarometers setzen 50 Prozent der befragten Stiftungen Nachhaltigkeitskriterien bei ihren Anlagen ein. «Das ist ein hoher Wert im Vergleich zu anderen Anlegerinnen und Anlegern», sagt Hansjörg Schmidt. Auffallend sei auch, dass Nachhaltigkeit praktisch bei jeder Stiftungsberatung ein Thema sei, auch wenn nicht jede eine entsprechende Strategie am Ende umsetze. Insgesamt sieht er die Stiftungswelt dem Trend voraus.

Ein beachtlicher Wert zeigt die Umfrage auch bei der Digitalisierung. Über 80 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Stiftungen geben an, mit einer eigenen Seite im Internet präsent zu sein, wobei die Westschweizer Stiftungen etwas affiner sind. Dies trifft auch auf die sozialen Medien zu. Die meisten Stiftungen aus der Westschweiz nutzen gemäss ihrer Auskunft Facebook, Twitter und Co. Nur gerade 25 Prozent der Stiftungen aus der Westschweiz geben an, auf keinem der Kanäle präsent zu sein. In der Deutschschweiz verzichtet dagegen jede zweite Stiftung auf diese Kommunikationsmöglichkeit.

Eine Zunahme dieser Aktivitäten darf erwartet werden. Denn beim Fundraising nennen viele operative Stiftungen den intensiver werdenden Wettbewerb als grosse Herausforderung. Wahrgenommen zu werden, ist unabdingbar. Zahlreiche Stiftungen geben allerdings auch einen Mangel an Zeit an. «Dies lässt darauf schliessen, dass der Ressourcenaufwand zunehmend eine Herausforderung für Stiftungen ist.»

Die fortschreitende Digitalisierung und entsprechende Angebote könnten Abhilfe schaffen. Zumal sich, gemäss den Daten des Stiftungsbarometers, die Stiftungen diesbezüglich mit den Forderungen und Erwartungen der Spenderinnen und Spender konfrontiert sehen. «Heute wird von einer Stiftung vielfach erwartet, dass von einem gespendeten Franken 100 Rappen in die Projekte fliessen», sagt Hansjörg Schmidt. Auch wenn diese Forderung unrealistisch ist, sagt es einiges über die Realität im Fundraising aus: Die Stiftungen sind bezüglich Effizienz gefordert.

Starre gesetzliche Regelungen

Bei den rechtlichen Rahmenbedingungen wünschen sich die Stiftungen Verbesserungen bei den steuerlichen Anforderungen. Besonders wichtig ist ihnen aber eine leichtere Anpassung der Stiftungsreglemente. «Ein
interessanter Fakt», urteilt Hansjörg Schmidt. «Es scheint ein echtes Problem zu sein, dass die Statuten für immer in Stein gemeisselt sein sollen.» Denn nur falls es die Aufsicht zuliesse, bestünde vielleicht etwas Interpretationsspielraum. Insgesamt scheint es zu schwierig, sich den schnell wandelnden gesellschaftlichen Wirklichkeiten anzupassen.


Das Schweizer Stiftungsbarometer wird 2020 erstmals publiziert. Das Magazin DIE STIFTUNG und stiftungschweiz.ch haben zusammen mit der Zürcher Kantonalbank die Umfrage realisiert.

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