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Die Stiftungslandschaft als Spiegel der Geschichte

Die gegenwärtige Zweckstruktur der Schweizer Stiftungen besteht aus Satzungen, die in unterschiedlichen Jahrzehnten entstanden sind und infolgedessen bei ihrer Verfassung entsprechend vom jeweiligen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Kontext geprägt wurden. Durch die Betrachtung der Popularität gewisser Themen über verschiedene Stiftungsjahrgänge gelingt es, den Einfluss gewisser historischer Phasen, Trends oder Ereignisse sichtbar zu machen.

Die Tradition der sozialen und kulturellen Begünstigung

Fast jede zweite Stiftung, die in der Zeit des Ersten und Zweiten Weltkriegs gegründet wurde, begünstigt soziale Zwecke. Während auch kulturelle Zwecke in diesen Jahrgängen durchaus Berücksichtigung finden, erreichen sie erst in den Gründungsjahren der zweiten Jahrhunderthälfte höhere Popularität, wobei rund 40% der Stiftungen, die ab 1960 gegründet wurden, kulturelle Zwecke fördern. Die Anteile der sozialen Stiftungen nehmen mit den jüngeren Jahrgangsgruppen entsprechend ab, neue Wirkungsbereiche tauchen auf. Die verschiedenen Begünstigungsbereiche werden im Stiftungszweck aber keineswegs nur substituierend, sondern auch ergänzend und zusätzlich genannt (vgl. Blog-Eintrag: Moderne Philanthropen – Trends im Stiftungszweck). So werden soziale und kulturelle Stiftungszwecke mit jüngeren Jahrgängen zunehmend begleitet von Zwecken in den Bereichen Forschung, Umweltschutz, Humanitäres sowie Gesellschaft und Wirtschaft, die in früheren Stiftungsjahrgängen kaum Präsenz finden.

Zeitgeschichtliche Schwerpunkte

Die Abbildung zeigt beispielhaft die anteilsmässige Präsenz ausgewählter Begünstigungsobjekte (grüne Balken) oder begünstigte Personengruppen (blaue Balken) in den Stiftungszwecken der jeweiligen Jahrgangsgruppen, wobei sich gewisse historische Phasen abzeichnen.

Stiftungen der finanziellen Direkthilfe haben in den Jahrgängen 1936 bis 1950 besonders grosse Anteile. Auch Stiftungszwecke im Bereich der Branchenförderungen gewinnen in diesen Jahrgängen Anteile, wobei schliesslich rund 15% der zwischen 1946 und 1950 gegründeten Stiftungen solche Themen begünstigen.

Stiftungen im Bereich Gesundheit sind über die Jahrgänge von unterschiedlichen Trends geprägt. Einerseits begünstigen oder betreiben insbesondere Stiftungen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts oder in den 60ern bis in die 80er Jahre gegründet wurden, Spitäler oder Pflegeheime. Entsprechend hoch sind in diesen Jahrgängen auch die Anteile der Stiftungen, die Betagte und Menschen mit Behinderung unterstützen. Andererseits gewinnen Zwecke im Bereich der Prävention eher bei jüngeren Stiftungen Anteile. Andere Destinatäre wie z. B. Arbeitslose finden in den Stiftungszwecken der späten 70er Jahre, zur Zeit der zweiten Ölkrise, vermehrt Berücksichtigung.

Die Aufgliederung der Stiftungen nach Jahrgängen zeigt, dass die organisierte Philanthropie nicht statisch ist, sondern sich an gewissen wahrgenommenen gesellschaftlichen Dringlichkeiten ausrichtet. Dennoch – aufgrund der nicht mehr untersuchbaren bereits aufgelösten Stiftungen – bleibt die Betrachtung eine archäologische.

Schlussfolgerungen:

  1. Der Stiftungssektor kann sich gesellschaftlichen Bedürfnissen, wenn auch verzögert, anpassen und kann durch Staats- und Marktversagen entstandene Versorgungslücken schliessen.
  2. Eine agilere Ausrichtung der Stiftungen an den aktuellen gesellschaftlichen Bedürfnissen erfordert zusätzliche Möglichkeiten für erlaubte Stiftungszweckänderungen.

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