Mindestens ist der Vorentwurf dazu in die Vernehmlassung gegangen
Was bisher geschah
Noch bis zum 13. März 2020 läuft die Vernehmlassungsfrist für die Parlamentarische Initiative Luginbühl «Schweizer Stiftungsstandort. Stärkung» (Pa. Iv. 14.470). Blenden wir zurück.
Im Jahr 2014 reichte der damalige Berner Ständerat Werner Luginbühl (BDP), seines Zeichens Präsident der parlamentarischen Gruppe (PG) Philanthropie/Stiftungen, eine Parlamentarische Initiative zur Stärkung des Stiftungsstandorts Schweiz ein – mitformuliert durch das Stiftungsforum Bern und proFonds, dem schweizerischen Dachverband der gemeinnützigen Stiftungen und Vereine. Einer der konkreten Mitauslöser dafür war das Projekt eines supranationalen Statuts der «Europäischen Stiftung», welches seit 2012 in der EU diskutiert wurde und das man als potenzielle Konkurrenz für den liberal aufgestellten und deshalb besonders gut entwickelten Stiftungsplatz Schweiz taxierte. Nach dem Rückzug durch die Europäische Kommission im März 2015 ist die «Europäische Stiftung» politisch tot. Nach seinem Rücktritt als Ständerat ist Luginbühl seit Dezember 2019 nicht mehr Mitglied des Bundesparlaments und deshalb auch nicht mehr im Präsidium der PG. Wird der durch die Pa. Iv. angestossene Gesetzesentwurf nach der laufenden Vernehmlassung die anschliessende Behandlung in den beiden Parlamentskammern überstehen? Sicher ist das nicht. Im Rahmen der Vorberatungen hatte die Rechtskommission des Nationalrats (RK-NR) sich höchst «widerspenstig» gezeigt – der Initiative wurde zuerst keine Folge gegeben. Erst im zweiten Anlauf und nach dem Votum des Gesamtständerats – der den Entscheid seiner RK bestätigte – und bloss bei vielen Enthaltungen wurde sie von der RK-NR doch noch gutgeheissen. Die Vorgeschichte dieser Pa. Iv. kann bei Année Politique Suissenachgelesen werden.
Wie wird sich das soeben neu – etwas linker – zusammengestellte Parlament gegenüber Luginbühls Anliegen positionieren, wo sich nicht einmal die beiden Stiftungsverbände einig sind? Zur Erinnerung: Während proFonds sich seit jeher und auch wieder im November 2019 stark für diese Pa. Iv. einsetzte, empfahl SwissFoundations, Verband der Schweizer Förderstiftungen, im August 2016 noch die Ablehnung der Pa. Iv. – als Initiative mit «kleinteiligen Forderungen» und «ohne eine klar strategische Stossrichtung». In ihrer jüngsten Stellungnahme vom März 2019 zu diesem Geschäft ist SwissFoundations konzilianter gestimmt.
Gilt hier «If it ain’t broke don’t fix it»?
Braucht der Schweizer Stiftungsplatz, der punkto Anzahl resp. Kapital pro Landeseinwohner so «stark» wie kein anderes Land (ausser Liechtenstein) ist, nach der letzten Gesetzesrevision von 2006 tatsächlich einen weiteren gesetzgeberischen Eingriff? Muss etwas überarbeitet werden, das sich im Grundsatz eigentlich bewährt? Oder existiert ein offensichtlicher Optimierungsbedarf? Entlang dieser Grundsatzfragen kommentiere ich hier die sieben Vorschläge der durch die Pa. Iv. angestossenen Stiftungsrechtsreform. Dabei stütze ich mich auf den Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates (RK-SR) vom 21. November 2019, der zusammen mit dem Vorentwurf zum Bundesgesetz über die Stärkung des Stiftungsstandorts Schweiz zu studieren ist. Die nachfolgend kursiv und in Anführungszeichen gesetzten Textpassagen entstammen diesen beiden verlinkten Dokumenten.
1. «Regelmässige Publikation von Daten zu den wegen Gemeinnützigkeit steuerbefreiten Organisationen»
Ich hätte nicht gedacht, dass es für eine statistische Aufbereitung von Daten, die bereits in den Handelsregisterämtern öffentlich zugänglich sind, eine Gesetzesänderung braucht. Unzweifelhaft ist es wichtig, dass mit dem Ziel der Transparenz und der einfachen Zugänglichkeit für alle Anspruchsgruppen endlich ein unentgeltliches Zentralverzeichnis aller gemeinnützigen Organisationen bereitgestellt wird. Leider kommt der betreffende Vorschlag im Gesetzesentwurf etwas wenig ambitioniert daher. Dort vermisse ich bei der Klassifizierung der erfassten Organisationen nach ihren Zwecken und Tätigkeitsfeldern eine Anwendung des international anerkannten ICNPO-Standards. Und der Einbezug quantitativer Daten wird nicht einmal ins Auge gefasst: Wie hoch sind die kumulierten Stiftungs- oder Vereinsvermögen? Welche Investitionen werden mit den operativen resp. fördernden Tätigkeiten in den diversen Sparten getätigt? Für die Öffentlichkeit von Interesse und für die Stiftungen von Nutzen wäre ein obligatorischer Rechnungslegungs-Standard nach Swiss GAAP FER 21, der für die betroffenen Organisationen einen zumutbaren einmaligen Mehraufwand bedeuten würde. Oder etwas präziser: Von öffentlichem Interesse wären eben Bilanzzahlen, die «true & fair» sind. Und von Stiftungsnutzen wären derartige Bilanzzahlen, weil diese den Verantwortlichen von gemeinnützigen Organisationen einen realistischeren Einblick in ihre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ermöglichten.
2. «Klarere Regelung der Stiftungsaufsichtsbeschwerde»
Eine Formulierung im Zivilgesetzbuch resp. deren Auslegung in Bundesgerichtsentscheiden und Gesetzeskommentaren verhindern, dass Personen mit berechtigtem Kontrollinteresse (Angehörige oder Nachkommen des Stifters, Stiftungsratsmitglieder) eine Stiftungsaufsichtsbeschwerde einreichen können. Dieses Manko zeigte sich jüngst im Fall der Susanna Biedermann Stiftung in Basel. Deshalb soll das Beschwerderecht mit dem Ziel eines grösseren Schutzes der Stiftung besser umschrieben werden. Diesen Vorschlag taxiere ich als eine dringend wünschenswerte Massnahme, was einen guten Punkt für die Pa. Iv. bedeutet.
3. «Optimierung der Stifterrechte betreffend Organisationsänderungen durch eine Ausdehnung des Änderungsvorbehalts des Stifters in der Stiftungsurkunde»
Dieser Vorschlag ist für mich ein Ausdruck des Unbehagens seitens der Juristen: Unentwegt beklagen sie die «Erstarrung» des Stifterwillens nach erfolgter Stiftungsgründung. Dass ein so tiefgreifender Einschnitt in die Charakteristik der Rechtsfigur Stiftung wegen manifester Probleme gerechtfertigt wäre, das bezweifle ich. Ähnliche Fragezeichen setze ich bei der nächsten Bestimmung.
4. «Vereinfachung von Änderungen der Stiftungsurkunde»
Die 2006 in Kraft getretene Regelung hat sich meines Erachtens bewährt. Dass ein einheitlicher Umgang mit – künftig deutlich einfacher zu tätigenden – Änderungen an der Stiftungsurkunde (der Vorschlag lautet auf generellen Verzicht auf eine diesbezügliche notarielle Beurkundungspflicht) Erleichterungen bedeuten kann, liegt auf der Hand. Aber ist solches wirklich notwendig? Die Stiftungen würden «im sich heute zunehmend schneller wandelnden Umfeld flexibler und anpassungsfähiger». Ob derartiger Formulierungen fragt man sich, ob dem soliden Instrument der Schweizer Stiftung so viel Zeitgeistigkeit gut tun würde (oder ob aus ihnen nicht viel mehr etwas Überdruss der Stiftungsaufsichten spricht, die seit einigen Jahren mehr Präsenz markieren und bisweilen als «bürokratisch» empfunden werden).
5. «Haftungsbeschränkung für ehrenamtliche Organmitglieder»
Im stiftungsreichen Kleinstaat Schweiz sind etwa 70’000 Stiftungsratsmandate und schätzungsweise 600’000 Vereinsvorstandsmandate zu besetzen. Die RK-S macht geltend, dass diese zahlreichen Posten immer schwieriger zu besetzen seien, da das zivilgesellschaftliche Freiwilligenengagement hierzulande eher rückläufig ist. Als Gegenmassnahme schlagen die Pa. Iv. resp. die RK-SR vor, die ehrenamtlichen Organmitglieder (z.B. Mitglieder von Stiftungsräten und Vorständen in gemeinnützigen, steuerbefreiten, ideellen, nicht wirtschaftsorientierten Organisationen wie Stiftungen, Vereinen, GmbH, AG, Genossenschaften) von der persönlichen Haftung «für leichte Fahrlässigkeit» auszunehmen.
Dass Haftungsrisiken die Ursache für – unbewiesene – Schwierigkeiten beim Rekrutieren (eigentlich ja vor allem beim Kooptieren) von Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern sein sollen, mag ich nicht recht glauben. Gleichwohl finde ich es vertretbar, dass angesichts der zunehmend anspruchsvoller und komplexer wordenen Aufgaben in solchen Gremien die ehrenamtlich Engagierten (nicht die zu Markttarifen entschädigten Organmitglieder) vom Haftungsrisiko etwas entlastet werden.
6. «Steuerliche Privilegierung für Zuwendungen aus dem Nachlass / Möglichkeit eines Spendenvortrags auf spätere Veranlagungsperioden»
Mit einem gewitzten Vorschlag (der wegen der Komplexität der Materie hier gar nicht in Kürze dargelegt werden kann) lanciert die RK-SR eine Gesetzesanpassung mit einer ausgesprochenen Anreizstruktur: Erben (und auch Beschenkte) sollen bei Zuwendungen an eine steuerbefreite, gemeinnützige Organisation, z.B. auch an eine selber gegründete Stiftung, einen erhöhten (resp. je nach gewählter Variante auch unbeschränkten) steuerlichen Spendenabzug vornehmen dürfen. Der Gedanke dahinter: «Dadurch soll ein Anreiz geschaffen werden, dass substanzielle Teile von Nachlässen nicht im Privatvermögen verbleiben, sondern für gemeinnützige Vorhaben eingesetzt werden.»
Inwieweit solches staatliches steuertechnisches «Nudging» greifen würde, kann im Voraus nicht abgeschätzt werden. Die Regelung würde natürlich zu steuerlichen Mindereinnahmen bei Bund und Kantonen führen, die gemäss Schätzung der Kommission durch die gemeinnützigen Zuwendungen aber bei weitem übertroffen würden.
7. «Keine Verweigerung bzw. kein Entzug der Steuerbefreiung, wenn gemeinnützige Organisationen ihre strategischen Leitungsorgane angemessen honorieren»
Dieser Vorschlag erfolgt nicht zuletzt aufgrund einer uneinheitlichen Praxis bei der Erteilung der Steuerbefreiung von gemeinnützigen Organisationen, die ihre Stiftungsräte resp. Vorstandmitglieder abgelten. Entschädigungslose Ehrenamtlichkeit der strategischen Organe war lange Standard gewesen. Angesichts der gestiegenen Anforderungen an die Stiftungsräte oder Vereinsvorstände ist dieses Prinzip nicht mehr in jedem Fall aufrecht zu erhalten. Gemäss der geplanten Bestimmung sollen künftig den Stiftungsräten Entschädigungen gezahlt werden dürfen, wie es bereits bei den operativ Tätigen Usus ist. Dies würde letztendlich zur wünschbaren Rechtssicherheit führen.
Übrigens werden vom Swiss Foundation Code (Empfehlung 7) solche «angemessene» oder «massvolle» Entschädigungen für die Stiftungsräte schon lange postuliert. Die Intention hinter dieser geplanten Bestimmung ist schlüssig: «Ehrenamtlicher Dilettantismus kostet die Organisationen im Ergebnis mehr als die angemessene Entschädigung einer begrenzten Zahl kompetenter Organmitglieder.»
Allerdings sollten wir uns noch etwas beim Adjektiv «angemessen» aufhalten. Ist es gleichlautend wie «marktkonform», das im erläuternden Bericht der Kommission ebenfalls verwendet wird? Oder ist erst die im Gesetzestext schliesslich vorgeschlagene «marktgerechte Entschädigung» der Stiftungsratsarbeit adäquat? Und würden Stundentarife, wie sie auf den Anwaltskanzleien verrechnet werden, dann diesen «Markt» prägen?
Wenn Stiftungen Argwohn erwecken …
Meinen obenstehenden Ausführungen kann entnommen werden, dass ich einige Aspekte der anvisierten Revision unseres Stiftungsrechts als durchaus zielführend betrachte. Da es sich dabei eher um eine «Arrondierung» als um eine tiefergreifende Revision handelt, mangelt diesem politischen Geschäft mit seinen diversen Retuschen und der – gefühlt – wenig einheitlichen Materie aber etwas die prägnante Stosskraft. Wer sich in der trügerischen Sicherheit fühlt, diese Pa. Iv. sei leicht «gegessen», der scrolle in den Wortprotokollen des Nationalrats der letzten Stiftungsrechtsrevision von 2000-2006 welche von Ständerat Fritz Schiesser (fdp, GL) (PA. Iv. 00.461) initiiert worden war. In den Parlamentariervoten manifestierte sich ein deutlicher Antagonismus zwischen dem bürgerlichen und dem linken Lager (siehe auch diesbezügliche Darstellung im Annéee Politique Suisse).
Ob der Transparenz- und Professionalisierungsschub, den das Schweizer Stiftungswesen in den letzten zwanzig Jahren erlebt hat, sich nun in stiftungsfreundlichen Vernehmlassungsresultaten niederschlägt, wird sich bald weisen.